Sklavensprache – Wie man lernt, das Denken zu verlernen

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Stellen Sie sich vor, Sie stehen mit Ihrem Verstand auf der Autobahn des freien Denkens – und plötzlich schießen Poller aus dem Boden. Überall. Willkommen in der Welt der dysfunktionalen Tabus – einer raffinierten Mischung aus moralischer Überlegenheit, emotionalem Erpressungspotential und intellektuellem Wachkoma. In dieser Welt heißt Sprache nicht mehr Verständigung, sondern Dressur. Der Begriff „Sklavensprache“, entlehnt aus Raphael Bonellis Buch Tabu: Was wir nicht denken dürfen, beschreibt diese traurige Realität mit chirurgischer Präzision.

Aber keine Sorge – das ist alles zu Ihrem Besten. Sie sollen sich schließlich sicher fühlen, auch wenn dafür ein kleiner Denkverzicht nötig ist. Oder zwei. Oder die vollständige Aufgabe Ihrer kognitiven Eigenständigkeit. Aber was ist das schon gegen das gute Gefühl, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen?

Die zwei Gesichter der Sklavensprache

Sklavensprache hat zwei charmante Erscheinungsformen – beide zum Fürchten.

Erstens, der Klassiker aus dem totalitären Repertoire: die Codierung von Kritik, damit man sagen kann, was man denkt, ohne zu verschwinden – im Gefängnis oder im ideologischen Niemandsland. Wer im Ostblock gelebt hat, weiß, dass man auch mit ironisch hochgezogenen Augenbrauen ganze Regierungssysteme in Frage stellen konnte. Subtilität war Pflicht, das eigene Überleben Belohnung.

Doch die zweite Form ist weit eleganter – und deutlich moderner: Man passt sich freiwillig der vorgeschriebenen Diktion an. Man sagt, was man sagen darf, denkt, was man denken soll, und nennt das Ganze dann zivilisierter Diskurs. Willkommen im Zeitalter der Selbstzensur als moralischer Höchstleistung. Wer dabei noch an George Orwells Neusprech denkt, liegt erschreckend richtig – oder wie man heute lieber sagt: „rechts“ (Vorsicht, schon ein Tabu!).

Dysfunktionale Tabus: Die Königsdisziplin des gesitteten Wahnsinns

Nicht alle Tabus sind schlecht. Das Inzesttabu zum Beispiel – ein echter Dauerbrenner, nützlich, bewährt, kulturell übergreifend anerkannt. Ein funktionales Tabu also – von der Evolution abgenickt. Ganz anders die dysfunktionalen Tabus: synthetisch, politisch, neurotisch. Diese kleinen Denkverbotszäune des Alltags haben keine natürliche Grundlage, nur eine funktionale: die Steuerung des Denkens. Aber mit einem guten Zweck natürlich – der Weltverbesserung! Und wer könnte da schon dagegen sein?

Der Clou dabei: Dysfunktionale Tabus ändern sich so schnell wie der Genderstern am Himmel der Tugend. Gestern war ein Begriff noch korrekt, heute ist er toxisch, morgen ist er vermutlich ein Hassverbrechen. Der Effekt? Ein Zustand permanenter sprachlicher Verunsicherung. Man bleibt an der Oberfläche des Sagbaren kleben und verliert, ganz nebenbei, den Inhalt. Aber wer braucht schon Inhalt, wenn man Haltung hat?

Die Pollermentalität: Wenn Denken zur Slalomfahrt wird

Dysfunktionale Tabus wirken wie digitale Verkehrsinseln im Diskurs. Sie zwingen uns, Umwege zu fahren – nicht aus Höflichkeit, sondern aus Angst. Angst vor Ausgrenzung, Etikettierung, sozialem Tod. Wer einmal als „Verschwörungstheoretiker“ tituliert wurde, darf sich warm anziehen – oder gleich den Diskursraum verlassen. Danke fürs Gespräch.

Diese „Poller“ sind nicht nur nervig – sie sind effizient. Sie arbeiten mit psychologischen Abwehrmechanismen wie Verleugnung, Verdrängung, Projektion. Ein bisschen Freudianismus im Dienste der Ideologie. Wer sich selbst beim Denken ertappt, der projiziert es lieber schnell auf andere. Wer Fakten bringt, ist verdächtig. Und wer nachfragt, könnte morgen schon im „Bullshit“-Lager sitzen.

Die Wissenschaft – zwischen Evidenz und Eminenz

Gerade in der Coronazeit konnte man beobachten, wie schnell aus evidenzbasierter Wissenschaft wieder eminence-based Autoritätsglaube wurde. Das ist nicht rückständig, das ist retro! Alte weiße Herren sagen, was gilt – diesmal nur mit Maske und moralischem Dauergrinsen. Studien, die nicht in den Kanon passen, werden nicht widerlegt, sondern gelöscht. Herrschaft durch Hygiene – sauber, effektiv, alternativlos.

Sklavensprache: Die beste Sprache, wenn man nichts sagen will

Man kann sich anpassen. Man kann sich auch freiwillig kastrieren – sprachlich, intellektuell, politisch. Und wer es richtig machen will, internalisiert die Regeln gleich selbst. Selbstzensur ist nämlich die eleganteste Form der Kontrolle: Keine Polizeipatrouille, kein Denkverbot von außen – nur ein wohliges Zittern im Bauch, wenn man über Migration, Geschlechterfragen oder den Ukrainekrieg sprechen könnte. Und dann redet man eben nicht. Höflichkeit, oder besser: Überlebenskunst im Zeitalter der moralischen Verminung.

„Luxury Beliefs“ und andere intellektuelle Accessoires

Natürlich wirken all diese Tabus nicht auf alle gleich. Wer in seinem Altbau mit Fußbodenheizung sitzt, kann sich bestimmte „Luxury Beliefs“ leisten – das sind modische Überzeugungen, die nur deshalb nicht wehtun, weil ihre Konsequenzen andere tragen müssen. Ein bisschen offene Grenzen hier, ein wenig Klimahysterie dort – alles kein Problem, solange man nicht selbst auf dem Land wohnt oder sich das Heizen leisten kann.

Fazit: Der Weg ins sprachliche Fegefeuer ist mit guten Absichten gepflastert

Die politische Kultur unserer Zeit ist durchzogen von sprachlichen Stolperdrähten, Denkpollern und moralischen Minenfeldern. Wer sie durchqueren will, braucht entweder absolute Konformität – oder Rückgrat. Letzteres ist bekanntlich selten. Es ist leichter, sich der Sklavensprache hinzugeben, die richtigen Wörter zur richtigen Zeit im richtigen Ton zu sagen – und das Denken dabei sicherheitshalber gleich ganz zu unterlassen.

Denn in einer Welt, in der das Richtige automatisch gesagt werden kann, ist Denken nicht nur überflüssig – es ist gefährlich.

Also, liebe Leser: Denken Sie nicht zu viel. Sprechen Sie nur, was erlaubt ist. Und vergessen Sie nie: Sprache ist Macht. Nur nicht Ihre.